Spuren im Wald

Es wird erzählt, dass vor vielen Jahrhunderten der Himmel und die Erde sich gegen den Menschen auflehnten, da dieser sie misshandelte. Eine große Sintflut setzte ein. Alles wurde vom Wasser überschwemmt und erstickt. Ein einziger Junge überlebte, der sich in jenen Tagen auf den höchsten Berg zurückgezogen hatte.  Als das Himmelstoben sich wieder legte und das Wasser zu sinken anfing, stieg der junge Mann vorsichtig zum Wald hinab. Hungrig wie er war nach so vielen Tagen der Entbehrung, machte er sich auf Nahrungssuche, fand jedoch auf Anhieb nichts. Alles schien auf hoffnungslose Weise ausgestorben zu sein. Er suchte nach einem Lebenszeichen: ohne Erfolg. Es gab keinerlei Lebensspuren in jenem Wald. Auch er würde, so dachte er, niemals überleben.  Dennoch gab er nicht ganz auf, denn er spürte, wie sein Herz im Einklang mit der Erde schlug, auf der er seinen Weg wieder aufgenommen hatte. Eines Morgens verließ der Mann seinen Unterschlupf, um die Umgebung zu erforschen. Welch Überraschung, als er bei seiner Rückkehr eine reich gedeckte Tafel vorfand: Wildbret, Obst, Gemüse und frische Getränke waren vielfach vorhanden.  Ohne zu wissen, wem er dafür danken sollte, stillte er seinen Hunger und schlief in jener Nacht selig ein. Da sich die wunderbare Gabe auch an den folgenden Tagen auf dieselbe Weise wiederholte, fragte der Junge sich, wer sich wohl so sehr um ihn kümmere. Gab es vielleicht noch jemanden im Wald?  Das einzige, was er ausfindig machen konnte, waren die Abdrücke eines Papageis. Sehr schwache, verschwommene und schwer deutbare Spuren.  Er beschloss daher, sich in der Nähe des Unterschlupfs zu verstecken, um das Geschehen besser beobachten und sich endlich einen Reim auf all seine Fragen machen zu können. Gegen Mittag flog ein scharlachroter Papagei durch das Dickicht der Bäume herbei. In seinen Krallen trug er Obst, Gemüse und zahlreiche andere Nahrungsmittel.  Sowie er auf den feuchten Boden aufkam, verwandelte er sich in ein wunderschönes Mädchen, das sofort den Tisch deckte. Währenddessen, sang es mit einer göttlichen Stimme. Und der ganze Wald mit ihm.

Da kam der junge Mann aus seinem Versteck heraus. Mit langsamen Schritten näherte er sich seinem Unterschlupf und stellte das Mädchen dann zur Rede.

- Ich bin ein Waldgeist – flüsterte es – Ich will dir helfen, weil ich weiß, dass dein Herz im Einklang mit der Erde schlägt, auf der du dich bewegst.

 

Ein Blick und wenige Worte reichten aus: die zwei verliebten sich ineinander. Das Mädchen blieb für immer mit dem jungen Mann zusammen. Die Völker, die noch heute in jenem Wald leben, sind ihre direkten Nachfahren. Wenn sie eine Papageienfeder finden, lesen sie sie auf und stecken sie in ihr Haar. Seit jener Zeit – viele, viele Jahrhunderte ist es nun her – schlagen ihre Herzen im Einklang mit Mutter Erde.

 

Colorin colorado, die Erzählung ist jetzt aus,

Calabaza calabaza, jedes Kind geht zurück nach Haus.

 

(in P. Valente, Colorin colorado, Ed. San Paolo, Mailand 2008 veröffentlichtes Märchen)